Eine Meditation über das Wesen der Ruhe

Dieser Text wurde aus dem sektorübergreifenden T'ar-an-Lo'q ins Deutsche übersetzt von Jürgen MosdorferDeschamps, akkreditierter Übersetzer ö.e.fb., San Francisco del Mars, Tahuna, Mars.

Vesper, Laudes... magische Begriffe, deren Wirkung ich-T'erss mir noch nicht ganz erklären kann. Liegt es daran, daß sie Momente bezeichnen, Zeitorte, zu denen der Bezeichnete zu schlafen pflegt; die sich jedoch in seine artbewußte Wahrnehmung zu schleichen scheinen, wo sie offenkundig wie Gäste an den Toren zwischen T*erss-Alle und ich-T*erss verharren, und es undeutlich bleibt, AUF WELCHER SEITE DES TORES sie dies tun: abwarten, geduldig? Dieser Gedanke ist schockierend, denn die Sprache, der sie entstammen, ist mir-T*erss ursprünglich so unglaublich fremd wie die Wesen, die sich ihrer bedienen. Wie gelingt es diesen Begriffen, auch nur in die Nähe des Ohn-Ichs zu gelangen? Wie queren sie die Barrieren der Art, die chemo-physikalisch- semantische Schranke, hinter der sich für gewöhnlich das Völlig Ungreifbare jeglicher interstellarer Intelligenzform zu verbergen pflegt, ein Abgrund so weit und so tief wie die Kluft zwischen den Sternen, die uns trennt?

Aber sie sind als Art nicht magisch.

Sie nennen sich "Taini", und liiren l'o T*erss-Individuum bin Gast auf einem der Planeten, die sie besiedeln.

Oder liegt die Magie eher andererseits daran, daß jene Begriffe selbst einer Sprache entstammen, die auf dem Heimatplaneten der Taini nicht mehr gesprochen wird, die nur noch gewissen religiösen Gruppen als Sprache des Rituals dient; die folglich selbst in ihrer Ort-Heimat kaum noch verstanden wird; einer Sprache mithin, die dabei ist, sich – Ihr-Allgemein mögt verzeihen, daß mir hier vorläufig nur unzureichend-präzise Begrifflichkeit möglich ist – gewissermaßen von ihrer Art-Wurzel zu lösen, von Körper, Körpersaft und Panzer - selbst wenn letzterer bei den Taini natürlicherseits kaum ausgebildet ist -, um fast ausschließlich als Idee zu existieren, widergespiegelt in Buchstaben, Worten, Texten, kaum noch gesprochen. Doch es ist der Spiegel, der in diesem Fall starr scheint: Buchseiten, Inschriften auf Gemälden, selbst Wänden; sogar in elektro/elektrochemischen Medien auf einem Schirm erscheinend. Ich-T*erss kann sich nicht helfen, aber noch in letzterem Fall gewinnen diese Wörter... Vesper... Laudes... eine schmerzende Eindeutigkeit, die sie nämlich andererseits gar nicht mehr haben. Wenn die wenigen, die sich ihrer bedienen, sie sprechen, benutzen, um zu benennen, was sie doch einfach bezeichnen: Zeitorte des frühen Morgens, dann schwingen und tanzen die Worte. Ich-T*erss kann das nicht besser sagen. Es ist, als holten die Sprecherinnen die Worte anderswoher, denn für gewöhnlich bedienen auch sie sich anderer Sprachen. KANN DIES EIN KOLLEKTIV-ORT SEIN? Ein weiterer bestürzender Gedanke. Denn es gibt außer unserer-Aller Art und den 'E des Bezeichneten Wissens zufolge keine weitere Art im bekannten Universum, die dauerhaft jenseits des Körper-Ichs existiert. Und es gibt keine einzige, deren Sprache dort ohne Geist zu existieren vermag.

(Ganz grundsätzlich muß hierbei betont werden, daß die tainischen Sprachen insgesamt nicht über die Struktur/Tiefendimensionen des Großen T'ar verfügen, das der Bezeichnete nicht einmal in Ansätzen beherrscht. Der Bezeichnete spricht und versteht das Kleine T'ar in Alltagsqualität. In dieser Meditation wird an keiner Stelle der Verdacht geäußert, tainische Sprachen ließen Zugänge zum Großen T'ar vermuten. Jenes macht den Bezeichneten knistern ohn alle Maßen. Der Bezeichnete muß nicht alle Grenzen überschreiten. Doch vor jenen bleiben Rätsel, deren Greifhabung zum Verstehen des Universums weit weit beitragen können – und die in diesem Sinne gewiß auch an das Große T'ar rühren. Gesagt und Gehalten.)

Ich-T*erss muß dem nachgehen. Der Bezeichnete hat derlei Abgründe hier nicht erwartet.

Er-der Gewesene kam hierher in der Annahme, unkompliziert eine Neuling-Art in der Föderation kennenlernen zu können. Er-der Bezeichnete erhielt die Erlaubnis für den Zentralplaneten außerhalb ihres Heimatplaneten, der letzterer weiterhin gesperrt ist. Eine ohnehin seltsame Konstellation.

Vielleicht hat alles Genannte auch mit jener höchst eigentümlichen Fremdheit zu tun, der ich-T*erss hier von Anfang an begegnete. Denn sie verbindet mich-T*erss und die hiesigen Taini eher, als daß sie uns-Verschiedenste trennt, denn die Taini empfinden sie ebenso.

Dieser Ort...

Die Sonne geht auf, schlagartig. Sie hebt sich über den Horizont und taucht die Wälder in gleißendes Grün. Ich kenne kein solches Grün. Es ist von äußerster Reinheit, und dies, obgleich es unendlich viele Schattierungen aufweist. Diese Wahrnehmung teilen die Taini mit mir, selbst wenn die cps-Schranke zwischen uns-Verschiedensten bleibt.

Sie, die Sonne, taucht die Mauern des Klosters in Grau und Braun, und sie betont noch die feinste Strukturierung von Gestein und Holz, die absichtlich grober Zurichtungsarbeit oder bewußt gestalteter Ausschmückung geschuldet sein kann. Beiderlei berührt und durchdringt sich. Das ist den Taini nicht immer ich-bewußt. Hier unterscheiden wir-Verschiedenste uns deutlich – und tröstlich; diesen Unterschied erklärt die Elementare Evolutions-Psychologie zureichend: Unser-Arteigene Augen differenzieren; deren-Arteigene Augen verschmelzen – um nur die Grobtendenz zu formulieren.

(wird fortgesetzt)